Sie lesen die erste Hälfte meiner Kurzgeschichte "Spyridakis", enthalten in der ersten Ausgabe der Anthologiereihe Welt der Geschichten.




Das Haus Spyridakis atmete.
Es war Panzerkleid, dann dehnte es sich ins Unendliche.
Man könnte auch sagen, wir lebten in ihm in ständigen Abenteuer.
Es war Zelle und es war Welt.
Doch lassen Sie mich am Anfang beginnen, ganz am Anfang, als die Gerüchte noch nicht zur Sensation geworden waren und Spyridakis noch nicht von Schaulustigen und Wissenschaftlern zu gleichen Teilen belagert wurde.
Ich erinnere mich, dass es Nachmittag war, später Nachmittag, als ich meinen Blick das erste Mal auf den leicht windschief zwischen zwei anderen Häusern hingeduckten Altbau warf. Ganz überwuchert von einem kränklich aussehenden Klettergewächs bot er keinen guten Anblick, mit seinen schon vor Jahrzehnten blind gewordenen Scheiben und dem ungepflegt vor sich hin wachsenden kleinen Gärtchen vor der Haustüre, in dem sich alle möglichen Pflanzen nach Belieben ausbreiteten.
Was soll ich eigentlich hier?, fragte ich mich nicht das erste Mal, seit ich meinen Wagen vor dem verhutzelten Haus am Straßenrand geparkt hatte und mich geistig auf die Farce vorbereitete, die mich die nächsten Stunden, vielleicht sogar Tagen erwarten mochte. Mit einem Ruck überwand ich mich, meine wütend um das Lenkrad gekrümmten Finger zu lösen und aus dem Wagen zu steigen. "Verdammt, ich sollte auf dem Amt sein und etwas Sinnvolles machen", murmelte ich vor mich hin, während ich meine Tasche mit meinen Unterlagen und meiner Wäsche aus dem Wagen zerrte. "Aber für so einen Mist schickt man natürlich die Rosa. Wen auch sonst, immerhin hat sie ja nichts Besseres zu tun, als sich zum Affen zu machen."
Ganz ruhig, du wirst dir die Show ansehen, alles als Unsinn abstempeln und dann bist du aus der Sache raus, sagte ich mir selbst, während ich die Wagentüre ins Schloss knallte und mit energischen Schritten den kopfsteingepflasterten Bürgersteig entlang zu dem Altbau ging. Das Echo meiner Absätze auf dem dunklen Stein hüllte mich in ein klackerndes Stakkato und mir wurde jetzt erst bewusst, dass ich der einzige Mensch auf den Straßen des alten Stadtteils war. Einen Moment kam ich mir verlassen vor, wie das alte Haus, in dem seit 1960 niemand mehr gewohnt hatte, wie ich aus alten Akten erfahren hatte. ärgerlich über mich selbst, verdrängte ich das Gefühl und versuchte ruhig durchzuatmen, um einen klaren Kopf zu bekommen. Es klappte nicht gut, ich hatte immer noch eine Stinkwut auf Enders, meinen Vorgesetzten, weil er mir diesen Auftrag zugeheimst hatte. Doch wenigstens schien sich mein Puls ein wenig zu beruhigen und ich fühlte, wie die mir in den Kopf gestiegenen Röte etwas wich.
Als ich heran war, stieg mir der muffige Geruch, den das alte Gebäude verströmte, in die Nase. Das Bild eines verwesenden Kadavers drang in mir hoch und irgendwie passte es: das Haus war eine Leiche, eine Leiche aus Stein und Beton.
Schnell machte ich meinen Weg an dem links von mir liegenden Gärtchen vorbei, weil ich hoffte, den eklen Gestank loszuwerden, wenn ich einmal eingetreten war. Ein paar trockene Zweige verhakten sich in meinem Kostüm, schienen nach mir zu greifen. Ungeduldig brach ich die tastenden Finger ab und warf sie achtlos auf den Rest des Unkrautes.
über der Türe des Altbaues verkündete eine Inschrift den Namen, den wohl einer seiner Erbauer ihm gegeben hatte: Spyridakis. Die Buchstaben waren schmucklos in den verwitterten, teils schwarz gewordenen weißen Klinker gegraben. Die Schrift war derart von der Zeit und dem Wetter ausgewaschen, dass man sie mehr erahnen als lesen konnte. Ich wusste nicht, ob der Name eine Bedeutung hatte und wenn, welche. „Spyridakis“,sprach ich in die unbewegte Luft, ließ mir den eigentümlichen Klang des Namens auf der Zunge zergehen. „Spyridakis.“ Das Wort hinterließ einen merkwürdigen Nachgeschmack, eine Emotion, die ich nicht genau einzuordnen vermochte, doch es war seltsam unangenehm.
Plötzlich zerschlug ein knarzender Laut die erdrückende Stille, in der Geräuschlosigkeit scharf wie der Klang einer zerberstenden Vase. Ich zuckte zusammen und machte einen haltlosen Schritt nach hinten.
"Da sind Sie ja", begrüßte mich der alte Mann, der so unerwartet aus der Türe getreten war. Lächelnd hielt er mir seine große Hand hin. "Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht erschrecken. Sie müssen Frau Rattelband sein."
Zögernd, und - wie ich zu meiner Scham gestehen muss – mit noch vor Schreck bebendem Herzen , griff ich nach der dargebotenen Hand.
"Ja, die Notarin", war das erste, was mir in dem Moment zu sagen einfiel. Das alte Gemäuer hatte es doch tatsächlich geschafft, mich für einen Moment in seinen Bann zu schlagen. Kein Wunder, dass es hier so menschenleer war, wer wollte sich schon in der Nähe dieser die Gassen überschattenden Hyäne aufhalten? "Herr Henderson?"
"Der bin ich. Ich freue mich, dass sie gekommen sind." Er wies auf den offen stehenden Eingang hinter sich. "Kommen Sie doch herein. Wir sind gerade dabei, die Messgeräte zu installieren. Ich führe sie herum."
Noch darum bemüht, meine Fassung zurückzuerlangen, stieg ich hinter Henderson die wenigen Stufen zur Türe empor. Es herrschte Dunkelheit in dem Hausflur, lediglich die frisch aufgewirbelten dicken Staubflusen leuchteten matt in dem einfallenden Licht des trüben Tages.
Da flammte unversehens Licht auf. Geblendet schloss ich die Augen. das Licht kam von einer nackten Glühbirne, die, nur von zwei Drähten gehalten, unter der hohen Decke baumelte.
"Ah", machte Henderson, "wir haben Strom. Sehr gut. Das Elektrizitätswerk hat das Haus natürlich vom Strom abgeklemmt, als der letzte Bewohner auszog. Es gab einige Probleme, als wir den Antrag für Wiederanschluß gestellt haben, da wir nur wenige Tage hierbleiben werden und extra jemand herauskommen muss, um den Zähler abzulesen."
"Sie halten einige Leute für ihr...Experiment auf Trab“, gab ich kühl zur Antwort. Ich wollte mich nicht durch Hendersons lockeres Geplauder einwickeln lassen. Zugegeben, mir war die warmherzige Art des Mannes angenehm, doch ich musste jedwede aufkeimende Sympathie für ihn oder die Mitglieder seines Teams im Keim ersticken, wollte ich mich nicht von den Ereignissen der nächsten Zeit überrumpeln lassen. Man hatte mich als neutralen Beobachter hinzugerufen und genau das würde ich auch sein.
"In der Tat", antwortete Henderson mit leicht erhobenen Brauen. Ihm war mein Ton wohl nicht entgangen. Er hustete verlegen. "Gut...ähm, ich stelle Ihnen wohl am besten zuerst mal die Mitglieder meines kleinen Arbeitskreises vor." Er schloss die immer noch offen stehende Haustüre hinter sich und schritt an mir vorbei auf den Eingang eines der vom Flur abzweigenden Zimmer zu. "Wenn Sie mir bitte folgen würden." In dem Zimmer - es musste einst das Wohnzimmer gewesen sein, wie ich unter der dicken Staubschicht erkennen konnte – herrschte hektische Betriebsamkeit. Zwei junge Männer von vielleicht achtundzwanzig Jahren und eine etwas jüngere Frau machten sich mit schnellen, routiniert wirkenden Bewegungen an zwei schwer aussehenden Metallkisten zu schaffen. Mit einem lauten Scheppern ließ die Frau den schweren Deckel aufschwingen und gegen die Kofferwand krachen. Sofort griff einer der jungen Männer nach einem der Geräte, die zum Vorschein gekommen waren und hievte es unter vernehmlichen Schnaufen heraus.
"Hört mal her", sagte Henderson zu der kleinen Gruppe von Leuten. "Die Frau, die unseren eruierten Daten Glaubhaftigkeit schenken wird ist hier. Darf ich vorstellen, unsere Notarin Frau Rosa Rattelband."
Als sich die sechs Augen auf mich richteten, kam ich mir ein wenig befremdlich vor, wie als junges Mädchen, als ich in eine fremde Klasse kam, in der ich niemand kannte. Ich räusperte mich, von der übertriebenen Ansage Hendersons ein wenig in Verlegenheit gebracht. "Guten Tag, zusammen."
Die junge Frau kam mit einem Lächeln auf mich zu.
"Dies ist Frau Gaida", stellte Henderson sie vor, während die Frau mir die Hand reichte. "Sie ist mit Herrn Ahlers", er deutete auf den Mann, der sich das Messgerät geschnappt hatte und nun dabei war, mehrere andere Instrumente über lange Kabel mit diesem zu verbinden, "für die Messtechnik verantwortlich." "Freut mich", meinte Gaida. "Wenn Sie mögen, kann ich Ihnen nachher, wenn alles aufgebaut ist zeigen, wie unsere Instrumente funktionieren."
"Ja, das wäre sehr nützlich. Vielen Dank."
Nun kamen auch die zwei anderen hinzu. Der mir schon als Herr Ahlers vorgestellte Mann begrüßte mich noch einmal persönlich, der andere Herr stellte sich als Leon Jouvet vor. Er sprach mit starkem Akzent und Herr Henderson erzählte mir, dass er extra aus Frankreich eingeflogen sei, um an dem Experiment teilzunehmen.
"Sie müssen wissen“, sagte Jouvet, „dass Jean Fulcanelli einer meiner Vorfahren gewesen ist."
"Fulcanelli?", fragte ich mein sichtlich mit Stolz erfülltes Gegenüber. Der Name war mir bei meinen zugegeben kurzen Recherchen über die Eigentümer von Spyridakis über den Weg gelaufen, doch ich hatte nicht weiter nachgehakt. Schließlich war es ja auch nicht so ungewöhnlich, dass ein Franzose ein Haus in Konstanz bewohnte.
"Ja, Jean Julien Fulcaneli. Sagen Sie bloß, Sie haben noch nie von ihm gehört. Er war der letzte, der wirklich in Spyridakis gewohnt hat." Jouvet schien sich über meine Unkenntnis zu ärgern.
"Lass gut sein, Leon", meinte Ahlers. Die Art, wie er die Augenbrauen runzelte zeigte mir, dass das Thema um Juvets Ahnenschafft zu seinem Verdruß nicht das erste Mal angeschnitten worden war und das es auch nicht das letzte Mal sein würde.
Jouvet schien noch etwas sagen zu wollen, schluckte es mit sichtlicher überwindung dann aber doch hinunter. "Ja."
"Wo ist denn Iven?", wandte sich Henderson an Gaida.
"Er muss oben sein, die Funkmesssonden in den Räumen der oberen Stockwerk installieren." "Dann gehen wir ihn mal suchen", meinte Henderson zu mir, während sich der Rest seiner Forschungsgruppe wieder an die Arbeit machte. Ich fragte mich, wieviel die Geräte, die sie hier hatten wohl gekostet haben mochten. Ehrlich gesagt, hatte ich nicht erwartet, dass Henderson mit derartiger Technik aufwarten würde. Gut, ich wusste nicht, ob die Maschinen wirklich funktionierten, oder ob es alles nur zu der Scharlatanerie gehörte, deren ich die Menschen des Arbeitskreises insgeheim bezichtigte, aber etwas überrascht war ich alle mal. Selbst unter der "wissenschaftlichen" Untersuchung eines im Volksmund verschrieenen Geisterhauses hatte ich mir eher etwas wie Tischrücken und das Anrufen der Toten vorgestellt, oder ähnlich albernes. Vielleicht würde es ja trotz allem interessanter werden, als ich mir vorgestellt hatte.
Die feinen, aber zentimeterdick aufgeschichteten Staubkörner knirschten vernehmlich unter unseren Schuhen, als wir die schon seit mehreren Generationen nicht mehr benutzte Treppe hinaufstiegen. Eine Lampenschale, welche an der Wand des oberen Flures angebracht war tauchte alles in ein milchiges Licht, fast wie unter Wasser. Der Flur war nur wenige Schritte lang und mündete lediglich in zwei Zimmer. In einem davon hockte ein Mann, der unter einem einfachen Schreibtisch mit irgendetwas hantierte.
"Iven, begrüß' unsere Notarin mal", sagte Henderson zu dem Rücken, der unter der Tischplatte hervorlugte.
Ein Zucken lief durch den halb verdeckten Körper und ein dumpfer Schlag ließ die Tischplatte eine Sekunde lang erzittern. "AH! Verdammt, Eirik, musst du mich so erschrecken?!" Schimpfend kam ein Mann mittleren Alters zum Vorschein, der sich mit verkniffener Miene den Kopf hielt. "Wen hast du denn da mitgebracht?", fragte er Henderson und musterte mich von Kopf bis Fuß.
"Mein Name ist Rattelband, ich bin die Notarin, die sie angefordert haben", sagte ich.
"Ich bin Iven Jorn", meinte der Mann, während er mit sanftem Druck meine Hand in seine nahm. "Ich bin ein Kollege von Professor Dahl, daher hat es mich trotz heftiger Widerrede meines Kollegen in dieses Haus verschlagen."
"Sie meinen die andere Forschungsgruppe?", erinnerte ich mich. Ich hatte darüber gelesen. Wer hatte das nicht? In den Lokalzeitungen wurde es wochenlang als Sensation gehandelt, selbst ein oder zwei ernstzunehmende Psychologiezeitschriften hatten, jedoch mehr mit einem Augenzwinkern, über die Sache berichtet.
Vor wenigen Wochen hatte Professor Dahl von der ansässigen Universität Konstanz ein Experiment durchgeführt. Dahl, selbst normalerweise tätig für den Lehrstuhl der Psychologie, hatte sich mit einer kleinen Gruppe interessierter Studenten gefragt, welche Wirkung eine von außen herangeführte irrationale Angst auf eine gesunde Psyche habe. Der interessante Aspekt dabei war, ob die Versuchspersonen auf die irrational, unlogische Angst ansprechen würden oder durch ihr logisches Wissen, dass eben jene Angst keine reale Grundlage besaß, überhaupt nicht auf den Reiz reagieren würden. Als ideale Umgebung für jenes Experiment hatte die Gruppe ein altes Spukhaus ausgewählt und zwar kein anderes, als dieses hier: Spyridakis. Die Menschen erzählten sich schon seit vielen Jahren, dass es in diesem heruntergekommenen Bau aus dem siebzehnten Jahrhundert nicht mit rechten Dingen zugehe und in der Tat hatte hier niemand mehr seit den sechziger Jahren gewohnt. Die letzten Bewohner sollten sogar Hals über Kopf eines Tages aus Spyridakis geflohen sein.
Jedenfalls zog die Gruppe Freiwilliger um Dahl in das alte Haus ein. Sie hielten es fast eine ganze Woche in den vier Wänden aus, dann eines Nachts, wurden Anwohner von lauten Geräuschen aus dem Schlaf gerissen, die fast eine halbe Stunde angedauert haben sollten, bevor einer der verängstigten Nachbarn die Polizei rief. Die Uniformierten kamen rasch mit einem Streifenwagen, hauptsächlich, um gegen die Ruhestörung vorzugehen.
Nach Aussage einer der Beamten, wollte die Streife schon wieder zurück zur Wache fahren, als sie sahen, zu welchen Haus die ihnen gegebene Adresse gehörte. Sie konnten es sich schwerlich vorstellen, dass in dem verlotterten Bau jemand sei. Da hörten sie die Geräusche. In der Annahme, ein paar Obdachlose hätten sich in das verlassene Haus geflüchtet, gingen die beiden Beamten der Sache nach. Laut den Zeitungsberichten wollten sie gerade in das Haus eindringen, als ihnen Dahls Forschungsgruppe wie von Teufeln gehetzt entgegenkam. Ich weiß noch, dass ich darüber leicht schmunzeln musste, als ich las, das der eine Polizist sich derart erschreckte, dass er einem von Dahls Studenten ins Bein schoss. Der arme Mann lag einige Wochen im Krankenhaus. In den folgenden Wochen las man dann allerlei Dinge in den Zeitungen: von unheimlichen Erscheinungen und körperlosen Stimmen, die die Gruppe in jener Nacht wahrgenommen haben wollte. Im Großen und Ganzen die Berichte von ein paar verängstigten Menschen mit zu viel Phantasie.
"Ja, sie werden davon gehört haben", antwortete mir Jorn.
"Das ließ sich kaum vermeiden, selbst wenn man es versucht hätte." Jorns Blick nahm einen distanzierten Ausdruck an. "Was halten Sie von der Sache?" "Von dem ersten Experiment? Um ehrlich zu sein, nicht viel. Es tut mir leid, wenn ich Sie in dem Punkt enttäuschen muss, aber ich glaube nicht an Spiritistisches."
Ich wartete seine Reaktion ab, doch er sah mich nur weiter an. War er gekränkt oder war es eine Fangfrage, um zu sehen, was ich als neutrale Beobachterin taugte. Ich beschloss einen Schritt weiter zu gehen. Immerhin war ich diesen Leuten nichts schuldig, im Gegenteil: sie hatten mich angefordert.
"Wenn Sie es genau wissen wollen, halte ich die ganze Sache für reine Scharlatanerie." "So?" Er sah mich mit unbewegtem Gesicht an.
"Meine persönliche Meinung, Sie haben danach gefragt." Jorn sah mich einen Augenblick weiter an. Henderson brach mit einem gekünstelten Hüsteln die unangenehm werdende Stille und wollte schon dazu ansetzen, etwas zu sagen, als Jorn abwehrend die Hand hob.
"Nein, ist schon gut, Eirik", beschwichtigte er seinen Kollegen, "ich begrüße Frau Rattelbands Ansichten sogar. Ich denke, wir alle sollten uns von ihr eine Scheibe abschneiden und uns nicht von den letzten Ereignissen Flausen in den Kopf setzen lassen. Wir betreiben hier zwar Grenzwissenschaft, doch wir sollten uns im Bewusstsein halten, dass auch diese Art von Forschung eine nüchterne Geisteshaltung erfordert." Ich machte den Mund auf, doch wusste nicht recht was ich sagen sollte. Iven Jorns Reaktion hatte mich total überrascht. Hatte ich mich schon gegen einen entrüsteten Wutausbruch über die Ernsthaftigkeit und Gewissenhaftigkeit der hier betriebenen Forschung gewappnet, so war ich nun durch das unerwartete Zugeständnis absolut überrannt. Ich schloss den Mund wieder und Jorn nickte mir mit einem leichten Lächeln zu. Diese Leute hatten es wieder geschafft mich zu überraschen. Ich nahm mir vor dies nicht zur Gewohnheit werden zu lassen.
"O.K.", machte Henderson, gefolgt von einem langen Seufzer, als er die von Jorn angebrachte Messsonde begutachtete. Es handelte sich um ein handtellergroßes Gerät, welches mit einem Metalldorn in der Wand befestigt zu sein schien und aus dem eine kurze Antenne ragte. "Bist du dann hier fertig?", wandte er sich an Jorn.
"Wenn die Sonde sendet schon. Komm, lass uns unten nachsehen. Inzwischen sollten die anderen die Station aufgebaut und eingestellt haben." "Was wird hier überhaupt gemessen? Irgendwelche 'Schwingungen', oder so?", fragte ich, mit einem skeptischen Blick auf den wie eine Wanze an der Wand sitzenden Apparat. Irgendwie erinnerte er mich an einen billigen Science- fiction- Film.
"Wir messen hauptsächlich elektromagnetische Felder und magnetische Felder. Es ist erwiesen, dass besonders starke Magnetfelder einen eigentümlichen Einfluss auf das menschliche Wahrnehmungsvermögen haben, aber das lassen sie sich besser von Tobias Ahlers erzählen, er ist da bewanderter als ich eingefleischter Psychologe", sagte Jorn.
"Wieso messen Sie überhaupt, es war doch ein rein psychologisches Experiment?" "Sicherlich", antwortete mir Henderson, während wir uns zurück in das Wohnzimmer begaben, "nur haben die Aussagen von Dahls Team nicht nur lüsterne Reporter lokaler Käseblättchen geweckt, sondern auch das Interesse etwas seriöserer Kreise, auch wenn Sie unsere Beweggründe für ebenso zweifelhaft halten mögen", versetzte er. Ihn schien ich mit meiner Meinung deutlich härter getroffen zu haben als Jorn, wie mir der Schatten, der über sein ansonsten neutrales Gesicht huschte, verriet. "Jedenfalls fanden wir es erstaunlich, dass selbst in dem Rahmen dieses Experiments, mit diesen Ausgangsbedingungen, alle, wirklich alle Teilnehmer von Grauen gepackt mitten in der Nacht aus diesem Haus gelaufen sind und später Haar genau die gleiche Geschichte erzählt haben: eine unerklärliche Stimme, Gesichter, die sich an den Wänden abzeichnen...Sie wissen ja, was geschrieben wurde." Er warf wie verzweifelt die Hände in die Luft, als er durch den Türsturz ins Wohnzimmer ging. "Ich weiß selbst, wie es sich anhört." "Sie verstehen also, warum ich diese ganze Geschichte als vertane Zeit ansehe?",gab ich zur Antwort, während ich und Jorn ihm folgten. "Natürlich. Es ist nur so: Dahl ist ein nüchterner Mann, ein Professor der Psychologie. Er hat vor dieser Geschichte in regelmäßigen Abständen Veröffentlichungen in angesehenen Fachzeitschriften gemacht, seine zwei Bücher sind angesehene Werke, dass eine avanciert sogar zu einem Standardwerk. Was ich sagen will ist das: wenn ein Mann wie Dahl solch einen Versuch unternimmt, dann ist er der letzte, der mit abenteuerlichen Geistergeschichten an die öffentlichkeit geht." "Und Sie haben es sich nun in den Kopf gesetzt, der Menschheit einen Beweis dafür zu liefern, dass der gute Mann nicht auf seine alten Tage seltsam wird, sondern dass es in Spyridakis wirklich spukt?" Das Grinsen, mit dem ich dies sagte, konnte ich mir einfach nicht verkneifen. "Nein. Nein, ganz und gar nicht. Sie verkennen uns immer noch, Frau Rattelband. Aber ich denke wir werden das nachher in der Runde klären."